Psychosomatik, Medizinethik, therapeutische Beziehung

Frühe muslimische Gelehrte haben in ihren medizinischen Schriften traditionell mit den Krankheiten des Kopfes – und somit auch des Geistes – begonnen und sich dann langsam entlang des Körpers bis zu den Füßen durchgearbeitet (Awaad, 2018). Manche Autoren argumentieren, dass diese Diskussion mentaler und physischer Gesundheit explizit durch islamische Quelltexte motiviert ist (Mohammad et al., 2018): So hält ein prophetischer Ausspruch alle Menschen dazu an, für jedwede Krankheit eine Heilung zu finden. Denn für jede Krankheit, die Gott geschaffen hat, ist auch eine entsprechende Heilung geschaffen worden (Al-Bukhari, 2002). In der Konsequenz, so heißt es weiter, ließen sich große Übereinstimmung im Gesundheits- und Krankheitsverständnis der muslimischen Philosophen und Gelehrten und der Definition der Weltgesundheitsorganisation finden, die Gesundheit als „Zustand vollständiger physischer, mentaler und sozialen Wohlbefinden und nicht als bloße Abwesenheit von Krankheit oder Schwäche“ definiert (World Health Organization, 1995; Mohammad et al., 2018).

ʿAli ibn al-ʿAbbas al-Madschūsi (930-994) wuchs in der Gegend des heutigen westlichen Irans auf. Zu den am weitesten verbreiteten medizinischen Lehrbüchern seiner Zeit zählt sein Kāmil aṣ-ṣināʿ aṭ-ṭibbīya, in welchem er umfangreich über die Psychosomatik berichtet (Haque, 1998; Husain, 2017). Er befasste sich weiterhin mit der Psychophysiologie und neurologischen und psychiatrischen Krankheitsbildern und vertrat die Meinung, dass natürliche Heilverfahren vor der medikamentösen Behandlung zunächst auszuschöpfen seien. Sein Werk beinhaltet viele medizinethische Überlegungen und betont die Rolle der therapeutischen Beziehung (Haque, 2004).

Referenzen:

Al-Bukhari, M. I. (2002). Sahih Al-Bukhari. Damascus, Syria: Dar Ibn Kathir; p. 1441, Book 76, Hadith 5678.

Awaad, R. (2018, October). Historical Perspectives and Modern Clinical Implications for the development of Islamic Psychology. Paper presented at the conference of the International Association of Islamic Psychology, Istanbul, Turkey.

Haque, A. (1998). Psychology and Religion: Their Relationship and Integration from Islamic Perspective. The American Journal of Islamic Social Sciences15, 97–116.

Haque, A. (2004). Psychology from Islamic Perspective: Contributions of Early Muslim Scholars and Challenges to Contemporary Muslim Psychologists. Journal of Religion and Health, 43(4), 357-377. doi:10.1007/s10943-004-4302-z

Husain, A. (2017). Contributions of Arab Muslim Scholars to Psychology. In A. Husain (Ed.), Contemporary Trends in Islamic Psychology (pp. 13-25). Hyderabad, Indien: Centre for Study and Research.

Mohammad, A., Elzamzamy, K., Fereydooni, S., Gamar, M., & Awaad, R. (2018). Mental Health in the Islamic Golden Era: The Historical Roots of Modern Psychiatry, in H. S. Moffic, J. Peteet, A. Hankir, R. Awaad, Islamophobia & Psychiatry: Recognition, Prevention, and Treatment (in press).

World Health Organization. (1995). Constitution of the world health organization.