Wahn und Religion

Ungefähr 20% von muslimischen Patienten berichten von sich aus von einem angenommenen direkten Einfluss von Jinnen und Sihar/Zauber auf ihre Symptome. Bei direkter Nachfrage sind es sogar fast 40%, die sich einen Einfluss vorstellen können, der aber für das Krankheitserleben zumeist nicht bestimmend ist (Rüschoff & Kaplick, Templeton Press, 2018).

Zum Thema Jinn und Sihar/Zauber können Sie sich als (muslimische) Fachkraft in den Gesundheitsberufen zum Beispiel u.a. informieren:


Integration, Identität, Gesundheit: Thomas Heise, Ibrahim Özkan & Solmaz Golsabahi (Hg.)(Das transkulturelle Psychoforum; Bd. 19)

Djinne, Zauber und „Böser Blick“ – Psychodynamik und Umgang mit traditionellen Krankheitsvorstellungen bei muslimischen Patienten

Ibrahim Rüschoff & Malika Laabdallaoui

„Viele Patienten in der Psychiatrie und Psychotherapie, die aus dem islamischen Kulturkreis stammen, sind der Überzeugung, dass ihre Symptome und Beschwerden nicht Folge innerpsychischer Konflikte sondern von außen an sie herangetragen werden. Ähnliche Phänomene findet man im gesamten Mittelmeerraum, so auch bei katholischen Italienern und Spaniern oder orthodoxen Griechen.

Trifft man bei Patienten auf religiös und traditionell geprägten Krankheitsvorstellungen, erhebt sich die Frage, welche psychologischen Hintergründe eine Rolle spielen und wie mit diesen Phänomenen therapeutisch umzugehen ist.

Vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen mit muslimischen Patienten beschränken wir uns hier auf diese Gruppe. Die Frage nach dem Einfluss von Djinnen hat für praktizierende Muslime auch eine religiöse, über die individuelle Situation hinaus weisende Bedeutung, die traditionellen Riten geben aber auch weniger frommen Muslimen ein großes Stück Sicherheit im Umgang mit den ängstigenden und unverständlichen Phänomenen, insbesondere bei längeren oder schwer beeinflussbaren Krankheitsverläufen.“ Weiterlesen


Fallbuch Spiritualität in Psychotherapie und Psychiatrie: Eckhard Frick, Isgard Ohls, Gabriele Stotz-Ingenlath, Michael Utsch (V&R)

Kapitel 9: Vom Sinn des Dschinn, Ibrahim Rüschoff

„Seit einigen Jahren stoßen religiöse oder spirituelle Überzeugungen und Verhaltensweisen der Patientinnen und Patienten in psychotherapeutischen Behandlungen auf ein wachsendes Interesse. Glaube kann schaden und Teil einer psychischen Störung sein. Bestimmte Formen der Spiritualität können aber auch schützen und Heilungsprozesse unterstützen. In den 20 vorgestellten therapeutischen Fallvignetten kommt eine große Bandbreite von Glaubensformen in unterschiedlichsten Lebenssituationen zum Vorschein. Die Patientengeschichten erzählen von den krankmachenden oder heilsamen Einflüssen des Glaubens im Lebensverlauf. Jede kurze Fallgeschichte wird von einer Fachkollegin oder einem Kollegen kommentiert. Das Einführungskapitel stellt den aktuellen Wissensstand zur Bedeutung von Religiosität und Spiritualität in der Psychotherapie vor, das Abschlusskapitel zieht Schlussfolgerungen für die psychotherapeutische Praxis und Weiterbildung. Das praxisorientierte Buch möchte dazu beitragen, aufmerksamer mit der spirituellen Dimension in Beratung und Psychotherapie umzugehen.“