Intelligenz, Ethik, Psychosomatik

Die religiöse Bedeutung mentaler Gesundheit wurde von frühen muslimischen Gelehrten umfassend besprochen. So gilt psychische Gesundheit und mentale Fassungskraft in einem juristischen Kontext als Bedingung für religiöse und soziale Gebote wie dem rituellen Gebet, dem Abschluss von Eheverträgen oder wirtschaftlicher Transaktionen. Darüber hinaus gilt die Bewahrung des Intellekts neben der Bewahrung der Religion/Glaube, des Lebens, der Familie und des Besitzes als Zielsetzung der islamischen Legislation. Muslimische Gelehrte haben sogar starke emotionale Zustände wie die Wut als Hindernis für die Entscheidungsfindung angesehen, so sollte zum Beispiel ein Richter niemals in einem Zustand der Wut Urteile fällen (Mohammad et al., 2018; Keshavarzi & Ali, 2018).

Nachdem wir uns letzte Woche mit al-Balchī auseinander gesetzt haben, setzen wir unsere psychologische Sichtung der Texte früher muslimischer Gelehrter mit Abū Bakr Muḥammad ibn Zakaryā ar-Rāzī (854 – 925 n. Chr.) fort. Dieser wurde in Rayy, in der Nähe vom heutigen Teheran (Iran) geboren und ist in der Psychologie für sein al-Tibb al-ruhani bekannt, in dem er die moralischen und psychologischen Krankheiten der Seele bespricht (Husain, 2017). Weitere Werke umfassen al-Hāwī fī al-tibb, al-mujarrabāt und Kitāb al-Manṣūrī fī al-ṭibb. Das umfassende Buch der Medizin gilt als größte medizinische Enzyklopädie, die von einem Muslim verfasst wurde und beinhaltet ein Kapitel zu den Krankheiten des Kopfes, in dem auch neurologische und psychiatrische Krankheiten beschrieben werden (Mohammad et al., 2018). Er gilt als einer der ersten Vertreter einer spirituellen bzw. psychologischen Medizin und maß der Ethik in der Behandlungspraxis einen hohen Stellenwert bei (Nasr & Leaman, 2001). Darüber hinaus hat sich ar-Rāzī mit der Therapie psychosomatischer Symptomatik (Syed, 2002), mit dem Konzept der Hoffnung und positiven Gefühle im Genesungsprozess (Mohammad et al., 2018) und der Intelligenz beschäftigt (Haque, 2004). Er soll das Konzept der Psychose im Detail beschrieben haben (Awaad, 2017). Einige Autoren schlagen ar-Rāzī als ersten Chefarzt in der Geschichte vor, der eine psychiatrische Abteilung im Hospital in Bagdad errichtet hat (Husain, 2017; Syed, 2002). Payk (2005) weist jedoch darauf hin, dass diese Abteilung erst im Jahr 981, also knapp 60 Jahre nach ar-Rāzīs Tod, gegründet wurde. Die psychologische Literatur weist damit einige Inkonsistenzen in Bezug auf ar-Rāzīs Wirken auf.

Referenzen:

Awaad, R. (2017, September). Historical and Islamic Scholarly Roots of Mental Health. Paper präsentiert auf dem Islamic Models of Nurturing Psychological and Spiritual Health Konferenz des Khalil Centers, Islamic Center at New York University.

Haque, A. (2004). Psychology from Islamic Perspective: Contributions of Early Muslim Scholars and Challenges to Contemporary Muslim Psychologists. Journal of Religion and Health, 43(4), 357-377. doi:10.1007/s10943-004-4302-z

Husain, A. (2017). Contributions of Arab Muslim Scholars to Psychology. In A. Husain (Ed.), Contemporary Trends in Islamic Psychology (pp. 13-25). Hdyerabad, Indien: Centre for Study and Research.

Keshavarzi, H & Ali, B (2018). Islamic Perspectives on Psychological and Spiritual Well-being and Treatment, in H. S. Moffic, J. Peteet, A. Hankir, R. Awaad, Islamophobia & Psychiatry: Recognition, Prevention, and Treatment (in press).

Mohammad, A., Elzamzamy, K., Fereydooni, S., Gamar, M., & Awaad, R. (2018). Mental Health in the Islamic Golden Era: The Historical Roots of Modern Psychiatry. in H. S. Moffic, J. Peteet, A. Hankir, R. Awaad, Islamophobia & Psychiatry: Recognition, Prevention, and Treatment (in press).

Nasr, S. H. & Leaman, O. (2001). History of Islamic philosophy (3rd ed.). London, New York: Routledge.

Payk, T. (2005). Psychiatrie im frühen Islam. In H. J. Assion (Ed.), Migration und seelische Gesundheit (pp. 21-28). Heidelberg, Deutschland: Springer, 21-28.

Syed, I. B. (2002). Islamic Medicine: 1000 years ahead of its time. Journal of Islamic Medical Association2, 2-9.