Aus der Schatzkiste. Die Wenigsten wissen, dass die IASE seit den 1980er Jahren existiert. Wir haben alte Tagungsbeiträge ausgesucht, um sie wöchentlich hier zu posten. Viel Vergnügen beim Lesen.


Asiye Köhler

1          Allgemeines

Ich möchte mich zuerst kurz vorstellen: Ich bin türkischer Abstammung, habe jedoch die meiste Zeit meines Lebens in Deutschland gelebt. Nach dem Studium in Ankara kam ich auf Einladung des DAAD nach Deutschland und bin nach einer kurzen Zeit der Selbständigkeit seit vielen Jahren als Lehrerin an einer Grundschule und jetzt an einem Gymnasium tätig.

 

2         Konfliktfelder in der Schule bzw. der Jugendlichen

Die wichtigsten Konfliktfelder in der Schule liegen im Bereich der unterschiedlichen Nationalitäten sowie Religionen (z.B. Alewiten, Sunniten). Hier will ich beispielhaft auf einen weiteren Bereich eingehen, den der Begegnung der Geschlechter.

 

2.1       Geschlechtliche Konfliktfelder

Es kommt immer wieder vor, dass zwei muslimische Jugendliche eine Liebesbeziehung beginnen. Wenn die Eltern davon erfahren, bricht für diese zumeist eine Welt zusammen. Oft sind es die Mütter, die verzweifelt beim Lehrer erscheinen und ihn drängen, aktiv einzugreifen und die Beziehung zu beenden. Wenn der Mann davon erführe, gebe es ein Familiendrama. Diese Konflikte haben gelegentlich dramatische Entwicklungen bis hin zum Suizidversuch. Beratung im engeren Sinne erfolgt hier nicht, auch weil die beteiligten Jugendlichen nicht gesprächsbereit sind. Überhaupt scheint auf Seiten der Eltern als auch der Kinder oft wenig Bemühen um ein gegenseitiges Verständnis, die Differenzen zwischen den Lebenswelten der Jugendlichen und der Eltern scheinen unüberbrückbar. Verbote der Eltern ohne gleichzeitiges Angebot von Alternativen tragen zur Verschärfung der Situation bei.

Besonders bei Beziehungen zwischen muslimische Jugendlichen aus strengen Elternhäusern fällt im Vergleich zu deutschen immer wieder eine gewisse Maßlosigkeit und übersteigerte Leidenschaft auf. Selbst Hausmeister und Reinigungskräfte in den Schulen berichten immer wieder von Vorkommnissen auf Toiletten und in leeren Klassenzimmern am Nachmittag, die selbst nach „deutschen“ Maßstäben problematisch sind. Die Gründe hierfür sind vielfältig und können hier nicht im einzelnen diskutiert werden.

 

3          Möglichkeiten der Beratung

Eine schnelle und erfolgreiche Beratung von Schülern und Eltern sehen sich großen Hindernissen gegenüber. So scheinen viele Eltern keinen besonderen Wert auf eine Beratung durch den Lehrer zu legen. Nehmen sie einmal Kontakt auf, so bestehen sie häufig auf einem unverrückbar vorgefaßten Lösungsweg, der zumeist nur die abrupte Beendigung der Beziehung ihres Kindes als einzige Maßnahme akzeptiert. Hierbei versuchen sie oft, den Lehrer in ihrem Sinne zu instrumentalisieren.

 

4          Maßnahmen

Die vordringlichste Maßnahme ist der Versuch, eine regelmäßige Elternarbeit aufzubauen. Hier bestehen neben einem weitreichenden Desinteresse der Eltern weitere Probleme: Türkische Lehrer an den Schulen sind sehr um ihr westliches Profil bemüht und zeigen häufig eine deutliche, teilweise sogar aggressive Ablehnung des Islam. Doch auch bei den nichtmuslimischen Kollegen fehlt die notwendige Sensibilität gegenüber islamischen Belangen. Dass Fragen des Kopftuches oder eines getrenntgeschlechtlichen Schwimm- und Sportunterrichtes immer wieder mühsam geklärt werden müssen, ist ein Zeichen dafür. Nur selten fragen Lehrer Kinder ihrer Klasse von sich aus nach ihren Bedürfnissen als Muslime und signalisieren damit eine grundsätzliche Akzeptanz von Anderssein.

Einer wichtige Maßnahme von grundsätzlicher Bedeutung ist die Einführung eines islamischen Religionsunterrichtes als Beitrag zu einer ethischen Erziehung der Kinder, der identitätsstiftend wirkt und viele Probleme bereits im Ansatz verhindern hilft.