Moralphilosophie und Seele, Anlage-Umwelt-Diskussion

Mohammad und Kollegen (2018) legen dar, dass die Bewahrung der griechischen Medizintradition während des 9. und 19. Jahrhundert griechisch-philosophische Ideen in vielen Bereichen beförderte, wodurch auch muslimische Gelehrte griechisches Wissen in ihre medizinischen Schriften integrierten. So wurden die Lehren des berühmten griechischen Arztes Galen, die die physiologischen Gründe für Krankheiten und ihre physischen Behandlungen betonten, in das islamische Curriculum aufgenommen worden. In klarem Unterschied zur griechischen Tradition, die durch Beobachtung und Theoretisierung gekennzeichnet ist, überprüften die Muslime jedoch die antiken Theorien mit ihren eigenen Vorstellungen und Ideen und, so argumentieren Mohammad und Kollegen (2018) weiter, hätten sie erstmals die wissenschaftliche Methode des Experiments in ihrer Theoriebildung zugrunde gelegt (Briffault, 1938). Im neunten Jahrhundert, als die Zusammentragung und Authentifizierung des Ahadith in Baghdad kulminierte, näherten sich muslimische Gelehrte der Medizin durch die Berücksichtigung des griechisch-philosophischen und wissenschaftlichen Gedankenguts und kombinierten dieses mit dem theologischen Prinzip, dass Gott der letztendliche Schaffende aller Dinge ist. Dadurch wurde die islamische Interpretation der göttliche Begründung von Ursache und Wirkung übernommen und die Methoden der Forschung und medizinischen Intervention auf solche beschränkt, die physikalischen Prinzipien und dem islamischen Recht nicht widersprechen (Dols & Immisch, 1992).

Abū ʿAlī Aḥmad ibn Muḥammad ibn Yaʿqūb ibn Miskawayh lebte im Gebiet des heutigen Iran. Er befasste sich in seinem Kitāb Tahdhīb al-akhlāq (Reinheit der Dispositionen bzw. Kultivierung der Sitten) und Al-Fawz al-Asghar (Der kleinere Sieg) mit einem System der Ethik und Moralphilosophie, stellte eine enge Verbindung zwischen Fragestellungen der Moral, Seele und dem psychologischen Wohlbefinden her und beschrieb dabei die Natur der Seele in ihrer Orientierung zum Guten (Husain, 2017). Er soll sich auch zur den Konzepten der Selbstverstärkung und Response-Cost-System (Haque, 2004) und zur psychospirituellen Behandlung von Angst und Depression geäußert haben (Mohammed et al., 2018). Wie später auch Al-Ghazali, führte Ibn Miskawayah eine Anlage-Umwelt-Diskussion (Mohammad et al., 2018).

Referenzen

Briffault, R. (1938). The Making of Humanity. London: George Allen & Unwin Ltd.

Dols, M. W., & Immisch, D. E. (1992). Majnūn: The madman in medieval Islamic society. Oxford: Clarendon Press.

Haque, A. (2004). Psychology from Islamic Perspective: Contributions of Early Muslim Scholars and Challenges to Contemporary Muslim Psychologists. Journal of Religion and Health, 43(4), 357-377. doi:10.1007/s10943-004-4302-z

Husain, A. (2017). Contributions of Arab Muslim Scholars to Psychology. In A. Husain (Ed.), Contemporary Trends in Islamic Psychology (pp. 13-25). Hyderabad, Indien: Centre for Study and Research.

Mohammad, A., Elzamzamy, K., Fereydooni, S., Gamar, M., & Awaad, R. (2018). Mental Health in the Islamic Golden Era: The Historical Roots of Modern Psychiatry, in H. S. Moffic,, J. Peteet, A. Hankir, R. Awaad, Islamophobia & Psychiatry: Recognition, Prevention, and Treatment (in press).