Anwendungsorientierte Literatur
In diesem Blogbeitrag befassen wir uns mit den allgemeinen Arbeitslinien in der anwendungsorientierten Literatur zum Themenkomplex Islam und Psychologie und leiten über zu Texten zur psychischen Gesundheit und Psychotherapie von und für Muslime.
Die grundlagenwissenschaftlichen Arbeiten wurden vorrangig in Büchern, Buchkapiteln, Konferenzbänden und Fachzeitschriften der jeweiligen Heimatländer der Autoren publiziert. Viele dieser Bücher und Konferenzbände werden nicht mehr verlegt oder sind nur noch in wenigen Bibliotheken, privaten Büchersammlungen oder auch Moscheekellern zu finden (Kaplick & Skinner, 2017). Im Gegensatz dazu sind die anwendungsorientierten Beiträge deutlich häufiger in etablierten, westlichen Fachzeitschriften erschienen und somit größtenteils durch die gängigen wissenschaftlichen Suchmaschinen abrufbar. Dies scheint auch darin begründet zu sein, dass die grundlagenwissenschaftlich-orientierte Arbeit größtenteils in den späten 70er, 80er und 90er Jahren geleistet wurde und anwendungsorientierte Texte tendenziell in den letzten 20 Jahren Aufschwung erfahren haben. Einschlägige Fachzeitschriften sind zum Beispiel das American Journal of Islamic Social Sciences, das Journal of Muslim Mental Health, das Journal of Mental Health, Religion & Culture, das Journal of Religion and Health, das Journal of Culture and Mental Health oder das Archive for the Psychology of Religion. Im Folgenden werden Theorie- und Themenstränge in der anwendungsorientierten Literatur dargestellt.
Theorie- und Themenstränge
Theorie- und Themenstränge in der anwendungsorientierten Literatur haben einen deutlich klinischen Schwerpunkt, doch werden auch Fragen der forensischen Psychologie (Chaleby, 2001), der pädagogischen Psychologie (Abdul Razak, M.A., Rahman, Hisham & Abdallah, 2011; Ahmed, 1997; Hamdan, 2009; Hamidi, Bagherzadeh & Gafarzadeh, 2010), der Umweltpsychologie (Othman, 2014), der Gesundheitspsychologie (Rassool, 2014), der Schulpsychologie (Carter & El-Hindi, 1999) und der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie (Shareef, 1988; Taib, Alias & Taib, 2011) rudimentär behandelt. Da diese nichtklinischen Arbeiten derzeit jedoch noch eine Minderheit darstellen, ist es für eine weitere Systematisierung dieser Veröffentlichungen noch zu früh. Aus diesem Grunde konzentrieren wir uns in diesem Abschnitt auf den klinischen Bereich.
Carrie York Al-Karams jüngstes Bestreben, den aktuellen Stand der islamischen Psychologie in einem Sammelband zusammenzufassen, ist zwar aufgrund der Qualität der Einreichungen und unklarer Definition des Wissenszweiges zunächst gescheitert – die Arbeit wird derzeit als Monographie weiter ausgearbeitet. Es konnte aber trotzdem eine vorläufige Themenanalyse der eingereichten Arbeiten (York Al-Karam, unveröffentlicht) durchgeführt werden. Es sei angemerkt, dass diese mitunter grundlagenwissenschaftliche Bereiche mit erfasst. Die Themenanalyse ergab sieben Theoriestränge:
1) Integration islamischer-theologischer und westlich-psychologischer Inhalte;
2) westlich-psychologische Konzepte aus einer islamischen Perspektive;
3) islamisch-inspirierte und -kongruente Psychologie;
4) Psycho-spirituelle Themen (westlich-psychologische Beleuchtung islamisch-spiritueller Fragen);
5) Muslim Mental Health/psychische Gesundheit von Muslimen;
6) westlich-psychologische Subdisziplinen (z. B. forensische Psychologie und Islam);
7) verwandte Themengebiete.
Haque und Kollegen (2016, in diesem Band) schlugen kürzlich ebenfalls auf Basis einer Themenanalyse vor, die anwendungsorientierte Literatur in folgende Themenstränge zu gliedern:
1) Vereinigung westlich-psychologischer Modelle mit islamischen Glaubensinhalten und Bräuchen;
2) historische Schilderungen einer islamischen Psychologie und ihrer Renaissance in der modernen Zeit;
3) Entwicklung theoretischer Modelle und grundlegender Strukturen einer islamischen Psychologie;
4) Entwicklung von Interventionen und Techniken einer islamischen Psychologie und
5) Entwicklung und Normierung von Erhebungsverfahren und Skalen für Muslime.
Im nächsten Blogbeitrag wird eine bündige, alternative Synthese der anwendungsorientierten Literatur präsentiert. Wir begründen eine Vielzahl unterschiedlicher Konzeptualisierungen der anwendungsorientierten Islam und Psychologie-Literatur. Wir gelangen in unserer Synthese zu drei Themenkomplexen: islamische Therapieformen und Beratungspraxis, kultursensible Ansätze und Muslim Mental Health, zu denen es in 2 Wochen mehr zum Nachlesen gibt.
Über diese Blogreihe
Nachdem wir uns im IASE Blog bereits den Themenfeldern „Die Terra Incognita der islamischen Psychologie“ und den „Instituten und Vereinigungen muslimischer Psychologen“ zugewandt haben, beschäftigen wir uns in dieser Blogreihe detaillierter mit der Literatur zum Thema islamische Psychologie in ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrem Gegenstand. Diese Blogreihe erscheint alle zwei Wochen am Sonntag. Die Inhalte sind aus der theoretischen Einführung in den Sammelband „Islam und Psychologie – Beiträge zu aktuellen Konzepten in Theorie und Praxis“ entnommen, der zum Beispiel hier erhältlich ist. Darin findet Ihr auch ein Literaturverzeichnis für die verwendeten Quellen.