Schlüsselkonzepte

Die Diskussion von Schlüsselkonzepten nimmt in den Veröffentlichungen eine zentrale Funktion ein, da diese unmittelbar auf den Gegenstandsbereich einer islamischen Psychologie hindeuten können (z. B. Ahmad, 1992; Khalili et al., 2002; Mohamed, 1995, in diesem Band; Tritton, 1971). Viele dieser Schlüsselkonzepte wurden in den jeweiligen Arbeiten zu Persönlichkeitstheorien als deren elementare Bestandteile weitergedacht. Zu den klassischen Schlüsselkonzepten gehören Fitra, Ruh, ‘Aql, Qalb und Nafs; Letztere auch in ihren verschiedenen Zuständen bzw. Stadien. Diese Schlüsselkonzepte durchlaufen in ihrer theoretischen Durchdringung verschiedene Entwicklungsphasen. Am Beispiel der Fitra lässt sich dies verdeutlichen: Dieses Konzept wurde anfänglich noch isoliert dargestellt (Mohamed, 1995, in diesem Band; Mohamed, 2009), erfuhr mit der Zeit jedoch eine weitere Differenzierung und wurde in Interaktion mit anderen Schlüsselkonzepten beschrieben (Abdul Razak, M.A., 2011), und es wurden unterschiedliche Auffassungen bezüglich ihrer Eigenschaften angedeutet (Khalili et al., 2002).

Bei der Sichtung von Schlüsselkonzepten fällt auf, dass die klassischen Konzepte unter variierenden Oberbegriffen subsumiert werden und somit eine gewisse Unschärfe in der Verwendung von arabischen Begrifflichkeiten deutlich wird. Um dies zu veranschaulichen, sind in Tabelle 1 Arbeiten mit abweichenden Referenzrahmen exemplarisch dargestellt. So behandeln beispielsweise Keshavarzi und Haque (2013) und Abu-Raiya (2012, in diesem Band) dieselben Entitäten Qalb, Nafs, ‘Aql und Ruh (vgl. Tabelle 2), jedoch beschreiben diese Konzepte in ihrer Interaktion nach Keshavarzi und Haque (2013) die Seele, wohingegen Abu-Raiya (2012, in diesem Band) seine Veröffentlichung als Persönlichkeitsmodell propagiert. Für die Definition und Diskussion der Schlüsselkonzepte und Vorstellungen damit in Verbindung stehender Persönlichkeitstheorien stellen wir in diesem Sammelband Skinner (1989, in diesem Band), Mohamed (1995, in diesem Band) und Abu-Raiya (2012, in diesem Band) vor.

Darüber hinaus differieren die Definitionen dieser Konzepte teilweise stark voneinander bzw. sind innerhalb einzelner Publikationen inkonsistent. So ist z. B. die Beschreibung der Nafs bei Abu-Raiya (2012, in diesem Band) mehrdeutig, da auf sie an verschiedenen Stellen als Zustand, Phase oder Bestandteil der Persönlichkeit verwiesen wird. In Bezug auf die Nafs ist auch zu vermerken, dass Diessner, Yazdani und Richel (2007) die verschiedenen Zustände der Nafs nach dem Baha’i-Führer Abdul-Baha als Theorie der Persönlichkeitsentwicklung erfassen. Ähnlich ist auch das Verständnis von Nafs bei Dharamsi und Maynard (2012), die sie in sieben Entwicklungsphasen einteilen.

Zukünftig gilt es, die Begriffe vor allem in Kooperation mit Experten der arabischen Sprache und islamischen Philosophie, Theologie und Mystik präziser zu durchdringen. Genauso wichtig wird es sein, weitere m.gliche Schlüsselkonzepte, wie z. B. Irada/Qasd (Wille), Fuad (Herz), Dhat (Wesen, Selbst, Ich, Identität), Ka’in (Lebewesen, Geschöpf, Wesen, Sein), Niyya (Absicht), Gharad (Motiv), Ilham (Inspiration, Eingebung) oder Wahy (Offenbarung) zu untersuchen.

Über diese Blogreihe

Nachdem wir uns im IASE Blog bereits den Themenfeldern „Die Terra Incognita der islamischen Psychologie“ und den „Instituten und Vereinigungen muslimischer Psychologen“ zugewandt haben, beschäftigen wir uns in dieser Blogreihe detaillierter mit der Literatur zum Thema islamische Psychologie in ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrem Gegenstand. Diese Blogreihe erscheint alle zwei Wochen am Sonntag. Die Inhalte sind aus der theoretischen Einführung in den Sammelband „Islam und Psychologie – Beiträge zu aktuellen Konzepten in Theorie und Praxis“ entnommen, der zum Beispiel hier erhältlich ist. Darin findet Ihr auch ein Literaturverzeichnis für die verwendeten Quellen.