Hintergrund

Die psychosoziale Versorgung nicht nur der Migranten sondern vor allem auch der Muslime wies in 1980er und 1990er Jahren große Lücken auf. Ihre Religion, für viele immerhin ein lebensgestaltendes Element, das den Alltag stark prägt, kam in den Beratungsgesprächen praktisch nicht vor. Ärzte, Therapeuten und Berater anderer Weltanschauungen wussten kaum etwas über den Islam, die Krankenhäuser waren auf diese Patientengruppe allenfalls mit schweinefleischfreiem Essen eingestellt. Außerdem berichteten Patienten immer wieder, dass sie sich von den Mitarbeitern der Beratungsstellen nicht verstanden und sie als religiöse Menschen vor allem von säkularen, muttersprachlichen Beratern nicht ernst genommen und abgelehnt fühlten und oft aufgefordert worden seien, sich doch endlich zu modernisieren, dann wären ihre Probleme gelöst.

 

In dieser Situation begannen Muslime aus Berufen der psychosozialen Versorgung, die ihre Religion im Alltag praktizierten und Interesse hatten, diese Mangelsituation zu verbessern, sich zu vernetzen. 1989 fanden sich nach bundesweiter, intensiver Suche ca. 70 Interessenten, darunter einige ehrenamtliche Berater aus anderen Berufen, viele Lehrer, einige Sozialarbeiter und Erzieherinnen, nur wenige Diplompsychologen und -pädagogen und ganze drei Psychiater. Das Bedürfnis nach Vernetzung war außerordentlich groß, die Atmosphäre auf unseren Tagungstreffen immer sehr von Wärme und kollegialem Respekt geprägt. Anfängliche Sorgen über mögliche Streitigkeiten über islamische Positionen und Inhalte stellte sich als völlig unbegründet heraus: Eine Art therapeutischer Grundhaltung, Klienten und Patienten in ihrem „Sosein“ zu achten, sie abzuholen wo sie standen und ihr Selbstbestimmungsrecht ernst zu nehmen, schuf auch eine gemeinsame Basis der Zusammenarbeit und des Umganges miteinander.

 

Nach einer Zahl von Arbeitstagungen zu Themenbereichen wie der Praxis islamischer Sozialarbeit, Gewalt in muslimischen Familien, Psychologie in der islamischen Geschichte, muslimische Frauen im Frauenhaus und der Qualifikation von Beratern mit muslimischer Klientel ruhten die Vereinsaktivitäten einige Jahre. In der Zwischenzeit war eine junge Generation von Muslimen herangewachsen, sie hatten Sozialarbeit oder Sozialpädagogik, Pädagogik, Psychologie oder Medizin studiert oder waren Erzieherinnen geworden. Islamische Kindergärten waren entstanden, Lehrerinnen unterrichten an öffentlichen Schulen. Aus dieser Situation entstanden neuerliche Aktivitäten. Das jetzt vorhandene Internet bot darüber hinaus eine ideale Kommunikationsmöglichkeiten, sodass mit einer Projektgruppe von 2015 bis 2020 die Reaktivierung unseres Vereins betrieben wurde. Die durchgeführten bundesweiten Tagungen im Februar und Dezember 2015 und im April 2019 waren dazu ein wichtiger Schritt. Der im Januar 2020 neu gewählte Vorstand will die Vorbereitungsarbeiten weiter ausbauen und die IASE zu einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft wachsen lassen.

 

Fachtagungen und Symposien der IASE seit 1988

1988 - Grundlinien einer islamischen Psychologie, Zur Situation islamischer Familien in Deutschland

1989 - Psychologische Ansätze in Koran und Sunna, Die Psychosomatik bei Al Balkhi

1989 - Strukturelle Bedingungen der Arbeit im Frauenhaus, Seelische Gesundheit und Krankheit im islamischen Menschenbild

1991 - Islamische Erziehung: Perspektiven aus Koran und Überlieferung, Alltagsprobleme muslimischer Schulkinder

1992 - Sufismus als psychotherapeutischer Kern des Islams?, Psychotherapeutische Ansätze bei Ghazali

1994 - Wie gehen wir mit unseren Kindern um?, Gesundheit und Migration

1995 - Islam und Psychotherapie, Psychotherapie und Islam

1996 - Curriculum zur Qualifikation von Beratungsberufen mit muslimischer Klientel

1998 - Theorie und Praxis islamischer psychosozialer Beratungsarbeit

1999 - Gewalt in muslimischen Familien I

2000 - Gewalt in muslimischen Familien II

2015 - Herausforderung der psychosozialen Versorgung von Muslimen - islamische Perspektiven

2015 - Gewaltprävention und -intervention in der psychosozialen Arbeit mit Muslimen

2016 - Arabisch-islamische Traumdeutung: Systematik und Besonderheiten

2019 - Islam und Psychologie – Forschungsansätze und Auswirkungen in Theorie und Praxis