Mit dem Namen ALLAHs, des Barmherzigen, des Allerbarmers, bismi ʾllāhi ʾr-raḥmāni ʾr-raḥīm

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  • Blogreihe: Islam und Psychologie – Gegenstand und Geschichte – Teil 19

    IP Aktivitäten in Deutschland

    Dieser Sammelband gehört zu den ersten Arbeitsergebnissen der im Februar 2015 ins Leben gerufenen Islam und Psychologie Forschungsgruppe der Islamischen Arbeitsgemeinschaft für Sozial- und Erziehungsberufe e. V., deren Aktivitäten wir hier als Beispiel für die Arbeit in der deutschen Islam und Psychologie-Szene exemplarisch skizzieren möchten. Ziel der Gruppe ist es, einen umfassenden Überblick über die existierenden Veröffentlichungen im Bereich Islam und Psychologie zu gewinnen und diese der breiten Masse zugänglich zu machen. Dazu stehen vier Arbeitsschwerpunkte im Zentrum: die Übersetzungsarbeit zur Bestandsaufnahme und -analyse der bestehenden Literatur, die Theorieentwicklung aufbauend auf dieser Bestandsaufnahme und -analyse, die Beschreibung sozialer Netzwerke muslimischer Psychologen auf einer europäischen und internationalen Ebene und die langfristige Etablierung einer Literaturdatenbank für relevante Veröffentlichungen.

    Der Übersetzungsarbeit kommt eine Schlüsselfunktion zu, um die bereits geleistete Durchdringung der theoretischen und praktischen Dimensionen von Islam und Psychologie zunächst in der englischen Literatur zusammenzufassen. Dieser Sammelband lässt sich in diese Arbeitslinie der Übersetzungsarbeit und Synthese der vorhandenen Literatur einordnen. Um auf dieser Synthese der Literatur aufzubauen, nimmt neben der Übersetzungsarbeit die Theorieentwicklung und Erarbeitung der theoretischen Grundlagen der Islam und Psychologie-Strömung eine elementare Rolle ein. In diesem Rahmen hat die Gruppe in Zusammenarbeit mit dem Ihsaan Beratungsdienst in Bradford (England) kürzlich dazu beigetragen, den theoretischen Diskurs zu einer islamischen Psychologie neu zu synthetisieren und ihre Ergebnisse im European Psychologist publiziert (Kaplick & Skinner, 2017). Hinsichtlich der  Anwendung dieser Erkenntnisse in der Psychotherapie mit muslimischen Patienten haben wir die Relevanz zentraler Elemente der islamischen Spiritualität mit Bezügen zu psychischen Erkrankungen und Psychotherapie in der Zeitschrift Spiritual Care veröffentlicht (Rüschoff, 2017) und werden zur Integration islamischer Spiritualität in die tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie in einem Sammelband der Templeton Press zu islamisch-integrierter Psychotherapie beitragen (Rüschoff & Kaplick, 2018).

    Ein wesentliches Hindernis in der gegenwärtigen Theoriearbeit ist das Fehlen internationaler Kooperationen. Daher konzentriert sich die Gruppe zur Förderung der Theoriearbeit auf die Erschließung institutioneller Strukturen muslimischer Psychologen und die Förderung von Kooperationsprojekten. Hierzu sind Beschreibungen der britischen, amerikanischen, indischen und deutschen Szene muslimischer Psychologen in den Zeitschriften Spiritual Care und Wege zum Menschen erschienen (Kaplick, 2018, Kaplick & Rüschoff, 2018). Kooperationen bestehen auf amerikanischer Seite mit dem Stanford Muslims and Mental Health Labor von Dr. Rania Awaad an der Fakultät für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften der Stanford Universität, mit Dr. Carrie York Al-Karam von der Universität Iowa und dem Institute of Muslim Mental Health unter der Leitung von Hamada Hamid (Yale Universität). Zu den britischen Kooperationspartnern gehören der Ihsaan Beratungsdienst in Bradford und die Fakultät für klinische Psychologie an der Universität Sheffield mit Prof. Rasjid Skinner und die Islamic Psychology Professional Association London um Nasima Khanom. Seit kurzem besteht außerdem eine Zusammenarbeit mit der Indian Council of Islamic Perspective in Psychology an der Jamia Millia Islamia in Neu Delhi, der Aligarh Muslim Universität in Aligarh und dem Centre for Study and Research in Hyderabad (Indien).

    Die langfristige Etablierung einer Literaturdatenbank für relevante Veröffentlichungen folgt dem Beispiel der Zillur Rahman Bibliothek der Ibn Sina Academy of Medieval Medicine & Sciences in Aligarh, eine Kleinstadt 140 Kilometer südlich von Neu Delhi in Indien. Seit den 1960er Jahren wurde dort als Produkt der Arbeit eines Einzelnen, namentlich Prof. Hakim Syed Zillur Rahman, eine beeindruckende Bibliothek mit über 15000 Büchern zur islamischen Medizin zusammengestellt. Ein maßgebliches Motiv des Professors für die Zusammentragung der weitläufigen Sammlung von Schriften in islamischer Medizin war es, der muslimischen Jugend zu zeigen, welches großartige Erbe ihre Vorväter ihnen hinterlassen haben und sie dazu zu ermutigen, als Muslime aktiv am wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn teilzunehmen. Diesem Ziel gliedert sich das Literaturdatenbankprojekt an und ist bestrebt, den Zugang zur vorhandenen Literatur zu Islam und Psychologie einer breiten Öffentlichkeit zu erleichtern. In einem ersten Schritt wurde im Juli 2016 eine Liste mit über 200 relevanten Veröffentlichungen auf der Website der Forschungsgruppe online gestellt. Im Oktober 2017 folgte eine Liste mit ausgewählter einführender Lektüre zum Thema Islam und Psychologie.

    Bevor wir uns kritisch mit der IP Literatur auseinandersetzen, werden wir die bisherigen Blogbeiträge in dieser Reihe in 2 Wochen kurz zusammenfassen.

    Über diese Blogreihe

    Nachdem wir uns im IASE Blog bereits den Themenfeldern „Die Terra Incognita der islamischen Psychologie“ und den „Instituten und Vereinigungen muslimischer Psychologen“ zugewandt haben, beschäftigen wir uns in dieser Blogreihe detaillierter mit der Literatur zum Thema islamische Psychologie in ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrem Gegenstand. Diese Blogreihe erscheint alle zwei Wochen am Sonntag. Die Inhalte sind aus der theoretischen Einführung in den Sammelband „Islam und Psychologie – Beiträge zu aktuellen Konzepten in Theorie und Praxis“ entnommen, der zum Beispiel hier erhältlich ist. Darin findet Ihr auch ein Literaturverzeichnis für die verwendeten Quellen.

  • Lese-Ecke: Wellbeing and the Worshipper – Insights Into an Islamic Spiritual Order

    As-salamu alaikum!

    Gerne möchten wir Euch auf folgende Veröffentlichung hinweisen:

     

    Zusammenfassung

    „This is a rare piece of empirical research, which reveals the workings of a spiritual order, its leadership, as well as their approaches, methods and tools. It demonstrates how the seekers, who were partly drug addicts and HIV patients, and the general segment of this Order, have been able to positively transform themselves. A multidisciplinary approach enlightens the analysis and discussion by bringing together spirituality, psychology, neuroscience as well as organisational development, to produce a rich tapestry of first hand insights. This book provides an integrated approach to understanding the landscape of a spiritual order primarily using a mixed method and a holistic approach with a particular focus on Islam.  Qualitative examples include interpretivistic phenomenological approaches and neuro-linguistic programming. The book highlights the positive impact of worship by providing practical guidance and suggestions on how to spiritually improve oneself. This dualistic approach generated a working model for spiritual leadership and self-development. The unsuspecting but important link of spirituality to the United Nations sustainable development goals (SDGs) is highlighted and discussed, which needs to be factored into the global development narrative. The text is primarily for researchers, yet has a secondary use for students and general readership given the comprehensive review establishing a conceptual framework for worship and morality.“

    Euer IASE Team

  • Blogreihe: Islam und Psychologie – Gegenstand und Geschichte – Teil 18

    Universitäre und klinische Programme in der IP

    In diesem Abschnitt zur praktischen Psychologie präsentieren wir zunächst eine Übersicht einschlägiger universitärer und klinischer Ausbildungsprogramme, um zu verdeutlichen, in welchem Rahmen die Inhalte aus der grundlagen- und anwendungsorientierten Forschung vermittelt werden. Der Darstellung der anwendungsorientierten Forschung folgend, schließt sich auch dieser Abschnitt zu universitären und klinischen Ausbildungsprogrammen der Konzentration auf den klinischen Bereich an. Daraufhin stellen wir exemplarisch die gegenwärtigen Arbeitslinien der Islam und Psychologie Forschungsgruppe der Islamischen Arbeitsgemeinschaft für Sozial- und Erziehungsberufe vor, dessen erstes Ergebnis dieser Sammelband darstellt. Dies soll einen beispielhaften Einblick in momentane Entwicklungen in der deutschen Islam und Psychologie-Szene gewähren.

    Die theoretische Vermittlung und das Training in verschiedenen Therapie- und Beratungsansätzen sind zentral für die Ausbildung zukünftiger Generationen klinischorientierter muslimischer Psychologen. Weltweit lassen sich bezüglich klinischer Ausbildungsprogramme verschiedene Entwicklungen beobachten: Großbritannien kann zum Beispiel auf eine ca. 25 bis 30-jährige Erfahrung zurückgreifen, wie islamische Schlüsselkonzepte in der Psychotherapie von Muslimen (und Nichtmuslimen) Verwendung finden können. Die amerikanische Arbeit agiert eher aus einer Muslim Mental Health-Perspektive heraus und kann hier auf einen ca. 10-jährigen Erfahrungshorizont zurückgreifen (für Details siehe: Kaplick & Rüschoff, 2018).

    Die folgende Tabelle listet die uns bekannten, einschlägigen klinischen Ausbildungsprogramme und universitären Kurse weltweit, alle Kurse und Programme werden in Englisch unterrichtet. Im Rahmen der universitären Kurse gibt es über die bestehende Auflistung hinaus Hinweise auf einen Kurs in islamischer Psychologie an der Calicut Universität im indischen Bundesstaat Kerala.

    Programm Anbieter/ Akkreditierung Dauer Ort Module/ Themenschwerpunkte Theoretische Fundierung
    Klinische Weiterbildungen
    Graduiertenzertifikat in Islamischer Seelsorge Hartford Seminary, Connecticut, Vereinigte Staaten 2 Jahre als Teil des Masterstudienganges in religiösen Studien Online oder on-campus – Islamisches Recht und Ethik der Gegenwart
    – Praktische Seelsorge
    – Praktisches Training (klinische Pastoralpraxis, Praktikum) 
    Interreligiöse Orientierung
    Zertifikat in islamischer Beratung: Seit 1996 durch Stephen Maynard & Associates 2 Jahre in Teilzeit London, Großbritannien – Beratungskompetenzen (CPCAB Modell)
    – Beratungsstudien (Ethik und Recht der Beratungsarbeit, Islamisches Beratungsmodell)
    – Islamisches Beratungsdiplom 
    Personenzentrierter Ansatz mit islamischen Elementen
    Postgraduales Zertifikat in Tibb-Beratung und Psychotherapie Seit 1978 durch das College of Medicine and Healing Arts (Dozent: u.a. Hakim Muhammad Salim Khan) 3 Jahre in Intensivkursen/Teilzeit Leicester, Großbritannien – Grundlagen der Heilpraktik
    – Lebensbalance und gesunde Ernährung
    – Theoretische Grundlagen der klinischen Arbeit
    – Klinisches Training in Beratung und Psychotherapie 
    Naturheilkundliche Tradition arabischer Heiler (Hakims)
    Kurs in islamischen Ansätzen zur Psychologie und Psychotherapie Seit 2014 durch das Cambridge Muslim College (Dozent: Rasjid Skinner) 1 Woche, Vollzeit Cambridge, Großbritannien – Kultur und Psychologie
    – Islamische Verständnis von Psychologie
    – Islamisches Modell des Selbst
    – Therapieansätze mit Fallstudien 
    Islamische Mystik
    Zertifikat in islamisch orientierten psychologischen Therapien Vereinigung islamisch-orientierter psychologischer Therapeuten (Dozenten: Rasjid Skinner, Rabia Malik, Shahnawaz Haque, Hakim Muhammad Salim Khan) 2- 3 Jahre (3 Module pro Jahr, mit 6 obligatorischen Modulen), Teilzeit Offen, Kurs befindet sich noch in Planung, Großbritannien Theorie:
    – Grundlegende islamische Konzepte
    – Therapieschulen
    – Rolle des Therapeuten
    Praxis:
    – Fallstudien
    – Supervision 
    Einbezug aller wichtigen Denkschulen
    Kurse an Universitäten und Fachhochschulen
    Islamische Psychologie Fakultät für Psychologie, Internationale Islamische Universität Malaysia 1 Semester, Kurs für Masterstudenten nach Amber Haque (2002) Kuala Lumpur, Malaysia -Religionspsychologie
    – Islamische Spiritualität und Mystik
    – Islamische Psychologie 
    Klassische islamische Gelehrsamkeit
    Einführung in die islamische Psychologie Fakultät für Religionswissenschaften, Universität Iowa (Dozent: Carrie York Al-Karam) 1 Semester Iowa City, Iowa, Vereinigte Staaten – Psychologie in der islamischen Zivilisation
    – Menschliche Natur
    – Pathologie und Therapie in islamischer Tradition
    – Islamische vs. Euro-Amerikanische Bezugssysteme 
    Klassische islamische Gelehrsamkeit
    Islamische Psychologie Islamic Online University (Dozent: u.a. Aisha Hamdan /Utz) 1 Semester, Kurs als Teil des Bachelor-Fernstudiengangs in Islamischen Studien Online – Einführung in die Psychologie
    – Konzepte der Psychologie aus islamischer Perspektive (vgl. Utz, 2011) 
    Klassische islamische Gelehrsamkeit
    Islamische Beratung Islamic Online University (Dozent: u.a. Hooman Keshavarzi) 1 Semester, Kurs als Teil des Bachelor-Fernstudiengangs in Islamischen Studien Online Klassische islamische Gelehrsamkeit
    Islamische Seelsorge Bayan Claremont Graduate School, Claremont School of Theology 3 Jahre, Vollzeit, Masterstudiengang in Theologie Claremont, Kalifornien, Vereinigte Staaten – Islamische Studien und Arabisch
    – Interkulturelle Kompetenzen
    – Islamische Seelsorge 
    Klassische islamische Gelehrsamkeit
    Islamische Perspektive auf die Psychologie Aligarh Muslim University Masterspezialisierung Aligarh, Uttar Pradesh, Indien – Grundlegende Konzepte
    – Psychologie und Sufismus
    – Persönlichkeit
    – Islamische Praktiken, Beratung und Therapie
    – Praktikum 
    Klassische islamische Gelehrsamkeit
    Islamische Seelsorge Islamische Universität Rotterdam (Fachhochschule) Masterprogramm Rotterdam, Niederlande 120 ECTS, breit angelegt Klassische islamische Gelehrsamkeit

    In 2 Wochen sehen wir uns beispielhafte eine momentane Entwicklung in der deutschen Islam und Psychologie-Szene an.

    Über diese Blogreihe

    Nachdem wir uns im IASE Blog bereits den Themenfeldern „Die Terra Incognita der islamischen Psychologie“ und den „Instituten und Vereinigungen muslimischer Psychologen“ zugewandt haben, beschäftigen wir uns in dieser Blogreihe detaillierter mit der Literatur zum Thema islamische Psychologie in ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrem Gegenstand. Diese Blogreihe erscheint alle zwei Wochen am Sonntag. Die Inhalte sind aus der theoretischen Einführung in den Sammelband „Islam und Psychologie – Beiträge zu aktuellen Konzepten in Theorie und Praxis“ entnommen, der zum Beispiel hier erhältlich ist. Darin findet Ihr auch ein Literaturverzeichnis für die verwendeten Quellen.

  • Videoempfehlung: Empathique zu Posttraumatischer Belastungsstörung

    As-salamu alaikum!

    Wir haben uns in diesem Blog bereits mit dem Projekt Empathique beschäftigt. Das Projekt erstellt unter anderem psychoedukative Animationsvideos, um ein besseres Verständnis über psychische Erkrankungen, die im Migrations- und Fluchtkontext entstehen können, sowie über Behandlungswege in Deutschland zu ermöglichen. In der ersten Reihe widmet sich das Projekt dem Thema „Flucht und Trauma“. Das zweite Video dieser Reihe befasst sich mit der Posttraumatischen Belastungsstörung:

     

    Euer IASE-Team

  • Blogreihe: Islam und Psychologie – Gegenstand und Geschichte – Teil 17

    Muslim Mental Health: Die psychische Gesundheit von Muslimen

    Haque et al. (2016, in diesem Band) finden in der anwendungsorientierten Literatur einen weiteren Theorie- und Themenstrang: Die Entwicklung und Normierung von Erhebungsverfahren und Skalen für Muslime. Wir möchten diesen Bereich als Muslim Mental Health-Literatur bezeichnen und der Skalenentwicklung (z. B. Dasti & Sitwat, 2014, in diesem Band) mit dem Bereich der epidemiologischen Studien ein zweites Interessensfeld beistellen (z. B. Qadir et al., 2016). In beiden Bereichen liegen hunderte Veröffentlichungen von Muslimen vor, die sich mit Fragestellungen der Familie, Jugend, Identität, Akkulturation, Religiosität und Spiritualität, Stigmata und Einstellungen, Traumata und Flüchtlingen auseinander setzen.

    Der Wissenszweig Muslim Mental Health wurde mit der ersten Ausgabe des Journal of Muslim Mental Health im Jahr 2006 von Hamada Hamid, Assistenzprofessor für Neurologie und Psychiatrie an der Yale Universität und Abdul Basit, ehemaliger Direktor des Multicultural Mental Health Services an der Universität Chicago begründet (Kaplick & Rüschoff, 2018). Muslim Mental Health umfasst empirische Studien zur Rolle der muslimischen Kultur in der psychischen Gesundheit und so  mit insbesondere von Muslimen. Dies involviert gesundheitsorientiertes Verhalten, die Effekte der sozialen Umwelt auf die psychische Gesundheit oder die Frage, wie religiöse Praktiken psychiatrische Symptomatologie beeinflussen (Basit & Hamid, H., 2006).

    Einführende Arbeiten zu Muslim Mental Health sind ausreichend erhältlich (z. B. Ahmed & Amer, 2012; Sabry & Vohra, 2013). Auch wenn Muslim Mental Health in den meisten Arbeiten in der Islam und Psychologie-Strömung Erwähnung findet, existiert eine Kontroverse darüber, ob Muslim Mental Health als integrierter Teilbereich der Strömung oder unabhängig als Zweig der Gesundheitswissenschaften betrachtet werden sollte. Das klassische Argument gegen eine Integration in die Islam und Psychologie-Literatur führt Arbeiten zu Depression unter Muslimen pakistanischer Abstammung an (z. B. Meer & Mir, 2014; Qadir et al., 2014), die, auch wenn sie Muslime untersuchen, keinerlei Potential für die Theoriebildung aufzeigen (Kaplick & Skinner, 2017). Eine entgegengesetzte Position argumentiert, dass Forschung, die die Effizienz klinischer Interventionen aufzeigt, die aus islamischen Quelltexten abgeleitet werden, dagegen einen konzeptionellen Beitrag leisten kann (Kaplick & Skinner, 2017). Haque und Kollegen (2016, in diesem Band) betrachten im Sinne dieser Meinung prinzipiell jegliche Forschung kritisch, die nicht auf klinisch-psychologische Anwendungsmöglichkeiten ausgerichtet sind. Wissenschaftspolitisch ist der Standpunkt, die Muslim Mental Health-Literatur in die Islam und Psychologie- Strömung zu integrieren, darauf ausgerichtet, quantitativ an Veröffentlichungen zu gewinnen und somit schneller als existierender Wissenszweig erkannt zu werden.

    In der Entwicklung von Interventionen und Techniken zielen viele Publikationen darauf ab, therapeutische Interventionstechniken aus bestehenden Schulen zu adaptieren (Alavi, 2001; Azhar et al., 1994; Azhar & Varma, 1995a, 1995b; Carter & Rashidi, 2004; Hamdan, 2008; Hedayat-Diba, 2000; Hodge & Nadir, 2008; Naeem et al., 2010; Razali et al., 1998, 2002). Daneben entwickeln Autoren auch eigenständige islamische Interventionen und Techniken. In diesem Rahmen sind Arbeiten zu psychologischen Aspekten islamischer Glaubenspraxis, d. h. die eine psychologische Wirkung religiöser Riten per se annehmen (BaHammam & Gozal, 2012; El-Azayem & Hedayat-Diba, 1994; Eneborg, 2013; Goels, 1996; Kaviani, n. d.; Kellner, 1997; Salam, Abdul Wahab & Ibrahim, A.B., 2013; Tekke & Watson, 2017), von solchen zu unterscheiden, die in einen therapeutischen Rahmen eingebettet werden. Versuche zur Entwicklung von Interventionen auf Basis der islamischen Quelltexte sind noch überschaubar (z. B. Mohamad, M.A. & Othman, 2016), so dass soweit keine systematische Übersicht existiert. Diese Perspektive der Entwicklung von Interventionen und Techniken weist Ähnlichkeiten mit der Arbeitslinie der Entwicklung islamischer Therapieformen und Beratungspraxis auf. In der Muslim Mental Health-Literatur ist dieses Bestreben jedoch eindeutig auf die Anwendung bei Muslimen ausgerichtet.

    Forscher um Hamada Hamid arbeiten gegenwärtig an einer Studie zur sozialen Netzwerkanalyse der Muslim Mental Health-Literatur, die einen Meilenstein in der Literatur darstellen wird. Ein kurzer Einblick in die noch vorläufige Datenlage  kann ein Gespür für die momentane Disposition dieses Forschungszweigs schaffen. Ziel sozialer Netzwerkanalysen ist die Quantifizierung von Verbindungen zwischen Objekten bzw. Personen in einem System, im vorliegenden Beispiel konkret von Netzwerken von Koautorenschaften in der Muslim Mental Health-Literatur mit dem Ziel die produktivsten und kollaborativsten Forscher in der Literatur auszumachen. In einer Literaturrecherche (Kriterien: Muslim* OR Islam* AND Subject=Mental Health, PsychInfo Datenbank für die Jahre 2005–2015) ergab die Suche nach einer vorläufigen Datenbereinigung fast 3000 Artikel mit über 8000 Koautoren vor allem zu Themenbereichen der Psychopathologie, jedoch auch zu den klassischen Muslim Mental Health Themen Stigmata und Einstellungen, Familie, usw. Wie auch in der Literatur zur islamischen Psychologie sind viele Arbeiten noch das Produkt weniger Autoren. Es zeigt sich jedoch vor allem in den letzten Jahren die Entwicklung stärkerer internationaler und interdisziplinärer Kooperationen.

    Zusammenfassend schlägt Skinner (2009, 2010) vor, die genannten Therapie- und Beratungsansätze auf einem biologisch-spirituellem Kontinuum zu konzeptualisieren: Dieses reicht von physisch-orientierten Ansätzen (z. B. unter Zuhilfenahme von Heilkräutern und der Ernährungsumstellung durch Hakims/traditionelle Heiler) bis hin zu spirituellen Heilmaßnahmen (z. B. durch einen Shaykh/religiös-spirituelle Autorität im Islam). Alle diese Therapieformen und Beratungsansätze, seien sie primär an islamischen Gedankengut oder den diversen kulturellen Hintergrund von Muslimen orientiert, entsprechen den Bedürfnissen verschiedener Populationen von muslimischen Patienten (Dharamsi & Maynard, 2012). Eine genaue Kenntnis dieser Orientierungen kann in der Arbeit mit Muslimen von Vorteil sein, um ihnen gegebenenfalls einen geeigneten Spezialisten zu empfehlen.

    In 2 Wochen beschäftigen wir uns mit universitären und klinischen Ausbildungsprogrammen, in denen Inhalte von Islam und Psychologie und zur psychischen Gesundheit von Muslimen vermittelt werden.

    Über diese Blogreihe

    Nachdem wir uns im IASE Blog bereits den Themenfeldern „Die Terra Incognita der islamischen Psychologie“ und den „Instituten und Vereinigungen muslimischer Psychologen“ zugewandt haben, beschäftigen wir uns in dieser Blogreihe detaillierter mit der Literatur zum Thema islamische Psychologie in ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrem Gegenstand. Diese Blogreihe erscheint alle zwei Wochen am Sonntag. Die Inhalte sind aus der theoretischen Einführung in den Sammelband „Islam und Psychologie – Beiträge zu aktuellen Konzepten in Theorie und Praxis“ entnommen, der zum Beispiel hier erhältlich ist. Darin findet Ihr auch ein Literaturverzeichnis für die verwendeten Quellen.