Hasan Polat

Der Tagungsbericht zur ersten internationalen Konferenz der International Association of Islamic Psychology (26. – 28. Oktober 2018, Istanbul) hat mich motiviert, diese Zeilen zu schreiben. Hiermit möchte ich zum Anlass des Berichts einige meiner Gedanken zusammenfassen. 

Wir Muslime in Deutschland, die eingewandert sind, haben eine lange Zeit versucht, durch die Gründung eigener Vereine und Organisationen uns gegen die Mehrheitsgesellschaft zu schützen. Das hatte seine Vor- und Nachteile. Aber wir konnten eine lange Zeit nicht so bleiben, weil dies eine lange Zeit nicht realistisch war und die neue Technik alle traditionellen Grenzen und Schutzmechanismen überrollt hat. Wir müssen lernen, uns in der hiesigen Gesellschaft von isolierten zu kollektiven Bestrebungenzu bewegen, weil wir an eine Religion (ed-Din) glauben, die an alle Menschen appelliert. Und wir wissen, dass wir heutzutage nicht mehr isoliert bleiben können. Das hat erneut seine Vor- und Nachteile, und ist auch eine Herausforderung, an der wir Muslime wachsen müssen.

Jeder Mensch ist als soziales Wesen auch ein Produkt seiner Zeit, in der er geboren und aufgewachsen ist. Muslime wurden ignoriert, vernachlässigt und diskriminiert. Der dominante, sehr materialistisch orientierte Positivismus und Kolonialismus hat uns sehr unter Druck gesetzt und negativ beeinflusst. Aber wir dürfen unsere Probleme nicht ständig externalisieren. Wir sind irgendwie auch stehengeblieben. Malek Bennabi hat mal sehr gut formuliert: „Es stimmt, dass wir kolonialisiert worden sind. Aber wir müssen auch fragen, warum wir kolonialisiert werden konnten?“

Die positivistische Sichtweise der Psychologie hat den Menschen lange Zeit als ein sehr mechanisches Lebewesen betrachtet und dargestellt. Aber das hat sich mit der Zeit geändert. Heutzutage versuchen viele Therapeuten, die religiösen und traditionellen Aspekte miteinzubeziehen, damit sie ihren Klienten besser helfen können. Wir Muslime haben uns in diesem Sinne verspätet. Aber das heißt nicht, dass wir das nicht nachholen können. Wir haben die Ressourcen und die Kapazitäten, vorausgesetzt wir geben uns Mühe und streben danach. Der IASE e.V. kann in diesem Sinne eine Basis schaffen, wenn wir uns alle beteiligen würden.

Der Islam ist eine Religion (ed-Din), die mehr beansprucht als andere Religionen auf der Welt, und dies wird oft von den Machthabern als eine Bedrohung der momentanen Weltordnung gesehen und dargestellt. Im Namen des Islam werden auch viele unakzeptable Dinge gemacht. Das ist eine momentane Realität der Weltpolitik. 

Meiner Meinung nach dürfen wir Muslime uns nicht so stark politisieren lassen. Als Therapeuten und Berater können wir für die Verbesserung des Wohlbefindens aller Menschen unsere Beiträge leisten, die der Islam von uns erwartet.

Je mehr sich ein Muslim bemüht, für sein eigenes Wohlbefinden und für das Wohlbefinden seiner Umgebung seine Beiträge zu leisten, desto mehr wird Allah ihm neue Perspektiven öffnen und neue Möglichkeiten geben. 

Wir Muslime glauben an das Achirah und wissen, dass wir dort erhalten, was wir in unserem Leben auf der Erde geleistet haben.

Allah möge uns schützen und unterstützen, liebe Schwestern und Brüder.

Hasan Polat